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Verhandlung beim BGH: Haftung für rechtswidrige Verbraucherwarnung
BGH verhandelt über Amtshaftung des Freistaat Bayern - Urteil noch vor Weihnachten
Im Fall der insolventen Großmetzgerei Sieber gegen den Freistaat Bayern wegen Schadenersatz für eine rechtswidrige Verbraucherwarnung ging es in die nächste Runde. Nach einem für den Betroffenen günstigen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München legte der Freistaat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab dieser Beschwerde statt und setzte eine mündliche Verhandlung für den 5.12. in Karlsruhe an.
Spannend war nun die Frage, was den BGH zur Zulassung der Revision bewogen hatte. Würde der BGH das Urteil des OLG München komplett kippen und Sieber keinen Schadenersatz erhalten?
AEQUIFIN hatte Gelegenheit, an der mündlichen Verhandlung des für Amtshaftung zuständigen III. Zivilrechtssenats teilzunehmen und sich vor Ort ein Bild zu machen.
Der Vorsitzende Richter, Dr. Ulrich Herrmann, warnte die zahlreichen Zuschauer vor Beginn seiner Einführung, dass seine Ausführungen angesichts der Vielschichtigkeit des Sachverhalts deutlich ausführlicher als üblich ausfallen würden. Außerdem gebe es einige Punkte, in denen der Senat Prüfbedarf sehe.
Die Nachfragen des Senats drehten sich vor allem um die Frage, ob die Behörde wusste oder hätte wissen müssen, dass Teile der Produktion nachpasteurisiert wurden und daher keine Gefahr für die Gesundheit sein konnten. Hatte sie insbesondere eine Pflicht, danach zu fragen, selbst wenn der Betroffene nicht von sich aus darauf hingewiesen hat. Dann hätte keine Warnung vor allen Produkten der Firma Sieber erfolgen dürfen.
Der BGH-Anwalt der Gegenseite, Norbert Tretter, referierte zum wiederholten Mal den Standpunkt des Freistaats, die Behörde treffe keine Schuld, da die Anwälte von Sieber versäumt hätten, bei Ihrem Widerspruch gegen die Maßnahmen des Freistaats explizit auf nachpasteurisierte Produkte hinzuweisen. Diesem Argument erteilten die Richter allerdings eine Absage. Der Gebrauch eines Rechtsmittels dürfe nicht von der Qualität seiner Ausführung abhängen. Selbst eine leichte Fahrlässigkeit bei der Begründung dürfe nicht zum vollständigen Ausschluss eines Rechtsmittels führen.
Tretter ergänzte, eine differenzierte Warnung nur vor Teilen der Sieber-Produkte wäre in der Kürze der Zeit nur schwer umsetzbar gewesen. Eine Warnung für die Öffentlichkeit müsse schließlich leicht verständlich sein. Dem trat Dr. Guido Toussaint, BGH-Anwalt des Betroffenen, entschieden entgegen: In Anbetracht der absehbaren schweren Konsequenzen sei dies kein zulässiges Argument.
Die rund einstündige Verhandlung endete ohne Urteil. Richter Herrmann nannte den 19.12. als Termin für die Urteilsverkündung - also noch rechtzeitig vor den Weihnachtsfeiertagen.
Die Vertreter des Betroffenen zeigten sich mit dem Verlauf der Verhandlung zufrieden. Die meisten Prozessbeobachter halten es für wahrscheinlich, dass der BGH den Fall an das OLG München zurückverweisen wird - mit Maßgaben für ein überarbeitetes Urteil.
Ein kurzes Interview zum bisherigen Prozessverlauf mit Dr. Josef Hingerl, dem Insolvenzverwalter der Firma Sieber, sehen Sie im oben eingeblendeten Video.
(AEQUIFIN/fbi 5.12.2024)
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